Expert:innen-Ecke M.Grüner, A.Kinscher

Reflexion der eigenen Vermittlung

1 Vorbemerkung zur digitalen Kunstvermittlung

Während der Kommunikator bei einer Kunstvermittlung, zum Beispiel vor Ort in einem Museum, direkt auf die Rezipienten eingehen kann und eine, auf sie abgestimmte, Kunstvermittlung mit direkten weitergehenden Fragen und Anregungen möglich ist, sieht dies bei der digitalen Kunstvermittlung ganz anders aus.

Bei der digitalen Kunstvermittlung gibt es ein generelles Problem: der Umgang mit Zielgruppen beruht lediglich auf Definitionen. Es ist unklar für wen und warum ein Vermittlungsinhalt aufgearbeitet wird und welche passenden Instrumente für die Vermittlung der Inhalte verwendet werden. Dies hat in den meisten Fällen zur Folge, dass der Umgang mit dem Medium Priorität vor den Vermittlungsinhalten erlangt. Eine digitale Kunstvermittlung funktioniert am besten, wenn diese von einem digitalen Kunstwerk oder einer digitalen Version eines künstlerischen Entwurfs ausgeht. Dem ist hinzuzufügen, dass künstlerische Arbeiten in Bildarchiven oder Datenbanken gut aufgehoben sind, ebenso gut wie ein zweidimensionales Gemälde eines Malers in einem gedruckten Bildband (vgl. Staarmann, Gabriele: euphorie digital? Aspekte der Wissensvermittlung in Kunst, Kultur und Technologie. 1998. S. 196f.).

Unsere gewählten Vermittlungsgegenstände gehen von realen künstlerischen Arbeiten aus, die wir selbst in den digitalen Raum gebracht haben. Zum einen in der Form eines Videos, bei dem der Rezipient die Möglichkeit hat, das Kunstwerk aus allen Blickwinkeln zu betrachten. Zusätzlich zu diesem visuellen Medium präsentieren wir dem Betrachter ein auditives Medium, welches die Wirkung des gefilmten Kunstgegenstandes verstärken soll. Während das Video abgespielt wird hat der Rezipient die Möglichkeit zurück zu spulen, vor zu spulen oder das Video anzuhalten, um einen Blickwinkel des Werkes genauer zu betrachten. Außerdem bietet diese visuelle Darstellung den Vorteil, dass der Rezipient ungewöhnlich nah an das Kunstwerk herangebracht wird, viel näher als die meisten Besucher es in der realen Ausstellung betrachtet hätten. Die anschließend gestellten Fragen zu den Videos und künstlerischen Arbeiten regen außerdem den aktiven Informations- und Erfahrungsaustausch an. Sodass über die Arbeiten gemeinsam in den Kommentaren diskutiert werden kann.

Ein weiteres Medium, welches von uns für die Vermittlung gewählt wurde, ist die Fotografie. Dafür wählten wir zweidimensionale Kunstwerke, damit keine Informationen verloren gehen, so wie es bei einer dreidimensionalen Skulptur der Fall gewesen wäre. Im Zuge dessen wählten wir eine aktive Teilnahme des Rezipienten an der Gestaltung eigener Kunstwerke, unter Vorlage der künstlerischen Arbeiten in der Ausstellung.

2 Kunstwissenschaftlicher Bezug

„Hier wird eine künstlerische Reaktion auf eine künstlerische Arbeit exemplarisch zu einem Akt der Vermittlung, und der Akt der Vermittlung wird zum künstlerischen Akt“ (Sturm, Eva: Vom Schießen und vom Getroffen-Werden. Kunstpädagogik und Kunstvermittlung „Von Kunst aus“. Hamburg 2005, S.34).

Diese Position von Eva Sturm haben wir versucht in der digitalen Kunstvermittlung der Bilderreihen „Looking Up“ und „Unfold“ von Stefan Schiek, zu berücksichtigen. Die Künstlerische Reaktion, die Erschaffung eigener Virtueller Welten („Looking Up“) oder das Zusammensetzen von Werken („Unfold“) wird somit zu einem „Akt der Vermittlung“. Der Rezipient beschäftigt sich durch seine eigenen künstlerischen Aktivitäten eingehender mit den Arbeiten des Künstlers und taucht in seine Welt ein und beginnt die künstlerischen Arbeiten besser zu begreifen. Ohne zusätzliche anregende Fragen stellen zu müssen, geschieht hier die digitale Vermittlung fast wie von selbst. Mit zur Verfügung gestellten, ausgestellten Bildern wird dem Rezipienten lediglich der Weg gewiesen.  

Auch Carmen Mörschs Theorie haben wir in diese Vermittlung mit einbezogen.

„Live und in Farbe“ etwas selbst gestalten ist ein wichtiger Teil kultureller Bildung in der Visuellen Kunst (Mörsch, Carmen: Kunstvermittlung im gesellschaftlichen Kontext. URL<https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/60325/kunstvermittlung> [21.08.2020]).

Den Rezipienten ist es möglich, die zur Verfügung gestellten, ausgestellten Bilder auszudrucken und selbst zu gestalten und zu verändern. Sie gestalten etwas selbst, über welches sie anschließend in den Kommentaren diskutieren können. Die Fantasie wird angeregt und Überlegungen über eine mögliche futuristische Welt oder virtuelle Realität wird angestoßen. Die Rezipienten beschäftigen sich nicht nur mit dem Werk des Künstlers selbst, sondern auch mit der darin aufgegriffenen Thematik „Virtuelle Realität“, über welche die Teilnehmenden ebenfalls einen Denkanstoß erhalten.

Der Kunstwissenschaftliche Bezug des folgenden Mediums, die digitale Vermittlung durch Filmsequenzen, geht erneut auf Eva Sturm zurück. Ihrer Theorie zufolge sollten „inhaltliche Schließbewegungen“ vermieden werden und stattdessen die Unabschließbarkeit von Deutungsprozessen bei der Auseinandersetzung mit Kunstwerken anerkannt werden (vgl. Sturm, Eva: Vom Schießen und vom Getroffen-Werden. Kunstpädagogik und Kunstvermittlung „Von Kunst aus“.Hrsg.: Pazzini, Karl-Josef, Sturm, Eva, Legler, Wolfgang, Meyer, Torsten. Kunstpädagogische Positionen 7/2005, Hamburg University Press. Hamburg 2005.).
In der digitalen Kunstvermittlung regen wir gerade diese Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk durch gezieltes Hinterfragen an. Die Antworten des jeweiligen Rezipienten kann dieser anschließend in den Kommentaren veröffentlichen. Dadurch kommt ein lebendiger Austausch über die Fragen und Antworten zu den Videos zustande und der Deutungsprozess wird stetig am Laufen gehalten. Das Sprechen über Kunst, so ebenfalls Eva Sturm, wird als unvermeidliche, produktive und nicht final leistbare Bearbeitung eines Mangels verstanden (vgl. Sturm, Eva: Woher kommen die KunstvermittlerInnen? Versuch einer Positionsbestimmung. Wien 2002, S.205). Diesen Mangel haben wir uns zum Vorteil gemacht. Ohne spezifische Interpretationsvorlage und Erklärung des Kunstwerkes von der Künstlerin selbst, werden stetig Fragen im Raum stehen, oder, während unsere digitale Vermittlung, in den Raum gebracht. Durch auditive Anregungen während der Videos ist eine zusätzliche Ebene für Diskussionen geschaffen und der Deutungsprozess bleibt unabschließbar.

Auch die Theorie von Umberto Eco, dargelegt in seinem Werk „Das offene Kunstwerk“ von 1998, bezogen wir in unserer digitalen Kunstvermittlung ein. Eco zufolge wird in der Modernen Kunst oft gezielt mit der „Offenheit“ eines Kunstwerkes gespielt. Dies wird erreicht, indem der Rezipient aufgefordert wird, aktiv am Werk mitzuarbeiten. Die „Offenheit“ eines Werkes lässt dem Rezipienten besondere Bedeutung zukommen. Diese Unvollkommenheit ermöglicht eine Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten der künstlerischen Arbeiten. Für die Kunstvermittlung kann also geschlussfolgert werden, dass der Rezipient bei der Auseinandersetzung mit Kunst eine zentrale Rolle spielt und die „Offenheit“ eines Kunstwerkes den Rezipienten einen individuellen Zugang zur Kunst ermöglicht sowie sein schöpferisches Potenzial angeregt wird (vgl. Eco, Umberto (1998): Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.).

Ohne eine Kunstvermittlung würde der Rezipient ein jedes künstlerisches Werk, welches fertig in einer Ausstellung hängt, als „geschlossen“ ansehen. Es liegt an den Kunstvermittler/innen die „Offenheit“ eines Kunstwerkes zu gewährleisten. Auch wir haben bei den Künstlerischen Werken „Steptease III“ und „Aqua“ von Cosima Göpfert sowie den Serien „Looking Up“ und „Unfold“ von Stefan Schiek eine „Offenheit“ hervorgerufen. Die Rezipienten wurden ermutigt eigene Werke zu kreieren oder sich vorzustellen. Die Arbeiten der Künstler wurden somit fortsetzt. Das schöpferische Potenzial der Rezipienten wurde in Gang gesetzt, indem diese Ideen, angelehnt an die ursprünglichen Arbeiten der Künstler, sammelten oder diese sogar umsetzten.

3 Reflexion der Relevanz der Vermittlung für die Zielgruppe

Kinder und Jugendliche sind schnell für interaktive Museumsinhalte zu begeistern. Kurze, ungewöhnliche und interessante Videosequenzen wecken ebenso ihre Aufmerksamkeit. Dies wird nicht nur in realen Museumsräumen sichtbar, sondern kann auch online angewandt werden.

Gerade in einer durch Pandemie-Regelungen bestimmten Zeit, in der der Besuch eines Museums oder einer Galerie für Schulklassen zu einem unüberwindbaren Hindernis geworden ist, ist es wichtig, dass sie auf ein digitales Angebot zurückgreifen können. Eine Kunstvermittlung, die vor Ort gemeinsam stattgefunden hätte muss nun in den digitalen Raum übertragen werden, damit Kinder und Jugendliche einen ähnlichen Zugang zu den Werken erhalten und sich weiterhin mit Kunst auseinandersetzen können.

Die digitale Vermittlungsidee zu Cosima Göpferts Werken erweitert den Blick der Rezipienten, was Kunst alles sein kann, wie sie gedeutet werden kann und veranlasst die Kinder und Jugendliche sich eigenen kreativen Ideen und Ansätzen zu widmen.  

Schieks Werke und die dazugehörige digitale Kunstvermittlung regt nicht nur die Kreativität der Rezipienten an, sondern gibt Anstoß zur Diskussion und zum Nachdenken über Zukunftsvisionen, virtuelle Realitäten und wie diese aussehen könnten. Die Kinder und Jugendlichen werden damit nicht nur an Stafan Schieks Werke und Arbeitsweise herangeführt, sondern auch an die Thematik der Zukunft, wie diese aussehen wird und wie wir sie gestalten können.

4 Fazit

Nach diesem Projekt und dem Seminar kann ich sagen, dass ich digitale Kunstvermittlung als anspruchsvoller wahrnehme als zuvor. Der Kommunikator kann nicht direkt auf die Rezipienten eingehen und persönlich mit ihnen arbeiten, sondern muss im Vorhinein ein umfassendes Angebot zusammenstellen, dass sie breite Masse der Zielgruppe anspricht.

Ich konnte viel über unterschiedliche Kunsttheorien erfahren und wie man eine Kunstvermittlung spannend und effektiv aufbaut. Vor dem Seminar empfand ich Kunstvermittlung als etwas, was ausschließlich mit Schulklassen durchgeführt wird, da Kinder und Jugendliche sich meist noch nicht selbst Fragen über das Kunstwerk stellen oder es versuchen zu analysieren. Doch die unterschiedlichen Theorien sind genauso gut auf Erwachsene anwendbar, denn auch sie beschäftigen sich meist nicht selbst mit den ausgestellten Exponaten, sondern betrachten sie, ordnen sie in schön oder nicht schön ein und gehen dann weiter. Die Digitale Kunstvermittlung wäre ein Weg auch Einzelpersonen im Museum auf Aspekte der Werke hinzuweisen und sie zum Nachdenken anzuregen. Zum Beispiel mit QR-Codes neben den Kunstwerken, welche interessante Fragestellungen zu den Exponaten aufwerfen. Eine Kunstvermittlung wäre dann auch ohne persönlichen Kommunikator möglich und eine breite Zahl von Besuchern könnte erreicht werden. Digitale Kunstvermittlung wurde jedoch erst pandemiebedingt für viele Museen und Ausstellungshäuser interessanter. Nicht nur in Museen, sondern auch online würden viele Besucher einfach an den Werken vorbeigehen beziehungsweise weiterscrollen, ohne sich näher mit diesem zu beschäftigen. Mit einer Kunstvermittlung ist es möglich neue Ideen und Anregungen zu schaffen, Ausstellungen spannender und wissenswerter zu gestalten und so den Besucher in die Ausstellungshäuser oder in diesem Fall auf die den jeweiligen Internetauftritt zu locken. Digitale Kunstvermittlung ist gerade in der jetzigen Zeit wichtig, damit die Menschen dennoch die Möglichkeit haben sich mit Kunst zu beschäftigen

– Anja Kinscher

Wir hatten uns beide vorher eher weniger mit dem Thema der Kunstvermittlung auseinandergesetzt, vor allem der digitale Weg war für uns daher komplett neu und unbekannt. Wir konnten durch das Seminar sehr gute Einblicke gewinnen in die verschiedenen Möglichkeiten, die einem dabei zur Verfügung stehen. Denn von einfachen Fotos, die der Betrachter online einsehen kann, bis hin zu aufwändig produzierten Videos ist alles möglich.

Die größte Herausforderung die sich mir stelle, war, mich auf wenige Werke zu fixieren und zu versuchen diese möglichst gut digital vermitteln zu können – anstatt die ganze Ausstellung zeigen zu wollen. Wir hatten anfangs das Gefühl, dabei gehe zu viel verloren. Es ist aber für die Personen, die vor dem Bildschirm sitzen, so auch wesentlich einfacher, sich auf etwas Weniger konzentrieren zu müssen und sich dafür etwas intensiver mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Meist schaut man sich in einer Ausstellung auch nicht alle Werke gleich intensiv an, sondern manche nur kurz – vor anderen verbringt man ewige Zeiten.

Durch die Umsetzung mittels Foto und Video sowie einer Mischung aus Ton und Stummschaltung ist uns das letzten Endes ganz gut gelungen. Zusätzlich dazu kann die betrachtende Person – vornehmlich Kinder und Jugendliche – die auf der Seite gestellten Aufgaben nutzen um sich noch näher selbst mit den Werken zu beschäftigen. Auch Erwachsene sind davon natürlich nicht ausgeschlossen, diesen fällt es aber oftmals leichter sich mit Kunstwerken länger auseinanderzusetzen und Fragen darüber zu stellen.

Diese digitale Kunstvermittlung zu erarbeiten, hat uns viel Spaß bereitet. Wir mussten neue Dinge ausprobieren und oftmals umdenken, da die Vermittlung im Ausstellungsraum direkt, sich doch komplett anders gestaltet. Allerdings kann man durch diese Möglichkeiten bestehende Ausstellungen erweitern und für ein breiteres Publikum zugänglich machen. Besucher könnten so Vorschläge machen, was ihnen in der Ausstellung fehlt oder durch welches digitale Angebot dies ergänzt werden könnte.

– Max Grüner

5 Quellen, Literatur zur Kunsttheorie und Kunstvermittlung:

  • Eco, Umberto (1998): Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
  • Mörsch, Carmen: Kunstvermittlung im gesellschaftlichen Kontext. URL<https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/60325/kunstvermittlung> [21.08.2020]
  • Sturm, Eva: Vom Schießen und vom Getroffen-Werden. Kunstpädagogik und Kunstvermittlung „Von Kunst aus“.Hrsg.: Pazzini, Karl-Josef, Sturm, Eva, Legler, Wolfgang, Meyer, Torsten. Kunstpädagogische Positionen 7/2005, Hamburg University Press. Hamburg 2005.